Grundsätzliches zu MPH-Medikamenten
Liebe Medi-Zweifler,
es gibt viele gute Gründe, eine ADHS-Therapie medikamentös zu unterstützen. Es gibt auch Gründe, einem Kind keine ADHS-Medikamente zu geben. Doch bevor man eine solche Entscheidung trifft, sollte man sich fragen, was man von den Medikamenten erwartet. Denn ...
... unsere Medis machen nicht intelligenter,
... sie machen keine besseren Schulnoten,
... sie stellen NICHT ruhig ...
... und NEIN, sie stellen auch dann nicht ruhig, wenn dies immer und immer wieder in den Medien behauptet wird, denn: MPH ist ein Stimulans!
Medikamente mit dem Wirkstoff Methylphenidat machen zunächst mal wach. Wer wach ist, zappelt nicht, kann sich konzentrieren, kann seine Emotionen und sein Sozialverhalten kontrollieren, kann sein eigenes Verhalten einschätzen ... und das alles mehr oder weniger gut. Nice to have, gewiss. Geben wir deswegen unseren Kindern Methylphenidat? Kann man das denn nicht auch mit ausreichend Schlaf, reizarmer Umgebung, gesunder Ernährung etc. erreichen? Die Frage ist durchaus berechtigt und einen Versuch ist es allemal wert. Und wie so oft sei auch an dieser Stelle wieder erwähnt, dass nicht alle Kinder mit ADHS Medikamente brauchen.
Ganz anders sieht es aber aus, wenn ein Kind aufgrund seiner ADHS eine Gefahr für sich und andere darstellt, wenn Geschwisterkinder zu sehr leiden, wenn bei Klassenarbeiten nicht wirklich was auf dem Blatt steht, obwohl das Kind das Thema eigentlich verstanden hat, und wenn es selbst für einen kompetenten Lehrer nahezu unmöglich ist, in der Klasse vernünftigen Unterricht zu machen ... und wenn das Kind darunter leidet. In solchen (und ähnlich gravierenden) Fällen sollte man über die Gabe von geeigneten Medikamenten nicht nur nachdenken, sondern sich schlau machen und handeln - sofortestens. Denn jeder weitere Tag ohne Medis ist ein weiterer schlimmer Tag für das betroffene Kind.
Für gewöhnlich liegen die Probleme irgendwo zwischen den obigen Beispielen. Es ist also in jedem Einzelfall sorgfältig abzuwägen, ob die Gabe von Medikamenten sinnvoll und notwendig ist; immer getreu der Faustregel: so viel wie nötig, aber so wenig wie möglich.
Auch zu den Nebenwirkungen muss ich etwas loswerden: Es ist bekannt, dass Methylphenidat das Hungergefühl unterdrückt. Sobald die Wirkung nachgelassen hat, stellt sich der Hunger wieder ein. Es wird also kein Kind zu kurz kommen beim Essen, nur manchmal sind eben die Zeiten etwas gewöhnungsbedürftig. Wie sehr dies zum Tragen kommt, ist sowohl vom Kind als auch vom Medikament abhängig.
Alle anderen Nebenwirkungen - ob sie nun auf dem Beipackzettel stehen oder nicht - bespricht man am besten mit dem Arzt. Es gibt Nebenwirkungen, die verschwinden nach den ersten Wochen wieder - also noch ein bisschen beobachten. Bei Nebenwirkungen, die nicht freiwillig wieder verschwinden, muss man sich Gedanken über ein anderes Medikament machen.
Nebenwirkungen selbst sind nicht mehr und nicht weniger vorhanden, als sie das bei anderen Medikamenten auch sind. Werft doch bitte mal einen Blick in die Beipackzettel von Aspirin, Kontrazeptiva, Bluthochdruck-Medis, Hustensaft ... die nimmt man alle, wenn man sie braucht - und kümmert sich erst dann um Nebenwirkungen, wenn man welche hat. Was ich damit sagen will? Ganz einfach: Nebenwirkungen ganz allgemein stehen in keinerlei Zusammenhang damit, ob ein Medikament nun unter das BTMG fällt oder nicht (auch wenn das immer wieder vermutet oder gar behauptet wird).
Der Wirkstoff Methylphenidat (MPH) ist bei ADHS das Mittel der ersten Wahl. Erst wenn die Gabe von Methylphenidat nicht zielführend ist, sollte man sich Gedanken um eine Alternative machen. Das heißt, erst nachdem mehrere Medikamente mit MPH ausprobiert wurden. Denn diese wirken durchaus unterschiedlich. Detailliertere Infos zu MPH-Medis stehen im Kartoffelmüsli
Wirkstoffe (Handelsname des Medikaments), die bei ADHS als Mittel der zweiten Wahl eingesetzt werden, sind Atomoxetin (Strattera), Dexamfetaminhemisulfat (Attentin), Lisdexamfetamindimesilat (Elvanse), Guanfacin (Intuniv) und bei Erwachsenen mitunter auch Bupropion (Elontril).
Viele Grüße
Susanne
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