Moin liebes Forum,

ich bin weiblich und musste 59 werden, um festzustellen, dass ich ADHS habe. Kommt mir immer noch etwas „ungewohnt“ vor. Als ich zur Schule ging, war ADHS kein Thema, irgendwie „gab“ es das damals noch nicht. Später wurde dann ein deutlich jüngerer Cousin diagnostiziert. In den Schulzeugnissen steht auch nicht viel außer "lebhaft". Und "Schrift + Form" war immer meine schlechteste Note

Wie wahrscheinlich viele Menschen habe ich ADHS bisher immer mit hibbeligen kleinen Jungs verbunden. Bis ich vor etwa einem Jahr in einem Abnehmforum die Selbstbeschreibung einer Frau las, die meinte, dass sie ADHS habe. Ich dachte, sie beschreibt mich. Hab dann bei meiner Therapeutin (hab auch eine Depression) einen Test gemacht, aber irgendwie ist der in Vergessenheit geraten und sie hat mir erst jetzt die Auswertung gegeben. Wenn man die teilweise-Antworten mitzählt, ist der Test positiv. Wobei ich bei dem Selbsttest auf adxs.org sogar auf schweres ADHS gekommen bin. Aber es ist ja kein Wettbewerb Ich bin dann jedenfalls mit dem Test und 2 Din A4-Seiten mit „meinen“ Symptomen, die ich anhand von Informationen diverser ADHS-Seiten zusammengestellt hatte, zum Psychiater. Seit 10 Tagen nehme ich jetzt Ritalin Adult und bin noch in der Aufdosierungsphase. Hab mit 10mg morgens angefangen und soll alle 5 Tage um 10mg steigern bis auf 20-20-0. So ganz viel kann ich noch nicht dazu sagen, aber meine Gesangslehrerin meinte beim letzten Mal, ich sei so konzentriert Ich habe diese Woche auch das erste Mal seit 6 Monaten wieder Klavier gespielt und habe das Gefühl, dass ich Dinge etwas eher erledige als sonst.

Ich kann den Zeitaufwand für etwas schlecht abschätzen (denke, ich kann „noch eben“ x oder y erledigen) => komme ständig zu spät oder in letzter Minute, was mir beruflich schon ein Abmahnung eingebracht hat. Ich drehe ständig in den Haaren, flechte kleine Zöpfe, knibbel an den Fingernägeln oder der Haut. Bringe nichts zu Ende, fang A an, mach bei B weiter, wander zu C, … Verzettel mich, bin Perfektionistin, bin ungeduldig (bin immer diejenige, die im Supermarkt nach einer neuen Kasse fragt), schimpfe im Auto oder auf dem Rad über andere Verkehrsteilnehmer, muss beim fernsehen oder Hörbücher hören ständig zurückspulen, mache oft Sachen noch nebenbei, prokrastiniere wie ein Weltmeister, zu Hause herrscht das Chaos und ich mag keine Leute mehr in die Wohnung lassen, ich verlege ständig Dinge, vergesse das Gemüse im Kühlschrank und Hausaufgaben, die ich erledigen sollte, kümmer mich nicht um wichtige Dinge wie meine Finanzen,, kaufe Dinge doppelt, weil ich vergessen habe, dass ich sie schon habe (oder ich hab sie verloren), meine Impulskontrolle könnte besser sein, ebenso meine Frustrationstoleranz … Im Studium habe ich meine Kommilitonen beneidet, die regelmäßig lernen konnten, während ich erst kurz vor den Prüfungen angefangen und dann mit Mut zur Lücke Nachtschichten eingelegt habe. Beruflich kam ich mir oft wie ein Hochstapler vor. Auf der anderen Seite bin ich kreativ, habe viele Ideen, bin vielseitig interessiert (manche sagen, ich mache zu viel), …

Wegen der Depression bin ich seit 2016 erst arbeitsunfähig, dann ALG, dann berufsunfähig. Eigentlich hätte ich ja jetzt Zeit, Ordnung zu schaffen, auszumisten, … Die Stimmung ist eigentlich wieder ganz gut, aber der Antrieb weiter im Keller. Wobei das ja anscheinend auch durch ADHS bedingt sein kann.

Ich freue mich jedenfalls darauf, Euch kennenzulernen, und auf den Austausch mit Euch.

Ich bin ganz begeistert, ich war heute Abend essen und konnte mich innerhalb von 2 Minuten für ein Gericht entscheiden Sonst eier ich immer rum, entscheide mich zig-mal um und lasse erst die anderen bestellen, wenn der Kellner kommt, weil ich Immer noch nicht weiß, was ich will.

@AndreaA und @JanaLena: Danke schön

Danke, Susanne