Wie bekomme ich erwachsene Tochter zur Therapie?

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05.02.2008 22:59
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#1
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( Gast )

Wir haben eine 19jährige Tochter, die in extremem Umfang ADSler ist.
Als ca. 14jährige ist das diagnostiziert worden, Medikamente lehnte sie ab. Obwohl sie nun erwachsen
(na gut, über 18 )ist, ist alles nur noch schlimmer geworden. Wir hatten eine extrem
schwierige Pupertätsphase mit ihr durch (z.B. innerhalb ca. 1,5 Jahren 90 Tage verschwunden, bis zu 3 Wochen am
Stück, ohne jede Ankündigung und schon gar kein schlechtes Gewissen), Polizei, Jugendamt (zu dem wir übrigens ein
sehr gutes Verhältnis haben!), stationäre Psychiatrie, Familientherapie usw. Regeln wurden nie beachtet, hochgradig
vergesslich, Zimmer chaotisch, ohne Gefühl für andere, aufbrausend bei kleinster Kritik (ansonsten aber ohne Hyperaktivität, nur verträumt), mittlerweise völlig antriebslos, Schule vor 2,5 Jahren beendet, aber seitdem keinen
Bock auf Ausbildung. Na ja, eben das volle Programm.
Mit 17 ist sie Mama geworden, seitdem ist sie noch chaotischer. Wenn sie nicht einen Freund hätte, der sich
liebevoll um das Kind kümmert, sie hätte es wahrscheinlich schon öfters vergessen. Absoluter Kaufzwang, sie haben
beide große Schulden, bei Firmen, Freunden, Nachbarn, bei uns.
Es ist ihr klar, dass sie ADS hat, wir haben ihr Literatur und Webseiten zu dem Thema gezeigt und mit ihr und
ihrem Freund darüber geredet. Sie hat mit Begeisterung diverse Fragebögen zu diesem Thema ausgefüllt und
sich dabei noch auffälliger beschrieben, als wir es schon tun. Sie findet das alles wirklich interessant.
Aber sie unternimmt keinerlei Anstalten, Hilfe anzunehmen. Zwar klagt sie über extreme Vergesslichkeit und
fragt nach Hilfe. Aber wenn wir ihr nach vielen Recherchen (es ist nicht einfach, im Raum Dresden auf diesem
Gebiet Hilfe zu finden) eine Adressen- und Telefonliste geben, dann wird diese nach kurzer Zeit untergemüllt
und sie unternimmt gar nichts.
Wir können doch nicht eine 19jährige junge Mutter unter den Arm klemmen und sie zum Arzt oder einer Selbsthilfegruppe
mitschleifen. Und selbst wenn, wie schaffen wir es, dass sie dabei bleibt? Sowas hat doch nur Sinn, wenn
sie es selbst will. Aber ihre Antriebslosigkeit verhindert genau das.
Hat jemand Erfahrungen oder Tipps, wie man diesen Teufelskreis durchbrechen kann? Wir möchten unserer Tochter
so gern helfen. Aber wie?


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05.02.2008 23:29
#2
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hallo meta,
erst mal herzlich willkommen hier im forum

oje, was soll ich dir antworten...?? spontan fällt mir nur ein "da kannst du GARNICHT viel machen ausser abwarten, bis sie SELBER darauf kommt"

weisst du, ich bin selber betroffen und wurde erst mit 24 (!) diagnostiziert, nachdem ich einen kompletten nervenzusammenbruch hatte und zusammen mit meinem kind vom dach springen wollte... erst DA bin ich aufgewacht und mir wurde klar, dass ich hilfe BRAUCHE und auch lernen muss, hilfe anzunehmen. wenn man mir das mit 19 gesagt hätte, denen hätte ich lachend den vogel gezeigt... klingt hart, war aber zumindest bei mir so.....

die meisten ads-ler haben als kind eine seelische (bitte nicht verwechseln mit geistiger!!!) entwicklungsverzögerung von ca. 30% des alters. ein 10 jähriger junge lebt demnach in der gefühlswelt eines 7-jährigen und verhält sich eben oft auch entsprechend. im erwachsenenalter relativiert sich das zwar ein wenig, trotzdem brauchen wir wesentlich länger, bis wir einigermassen "erwachsen" werden. (manche schaffen es auch, NIE erwachsen zu werden....und ich fürchte, da gehöre ich dazu....) deine tochter steckt (mit ihrem seelischen entwicklungsstand) wohl mitten in der "pupertären endphase" - und dass man dagegen kaum ankommt, weisst du bestimmt besser als ich!

ich würde versuchen, ihr das gefühl zu geben, dass sie IMMER zu dir kommen kann, wenn sie MÖCHTE - dass sie dies aber nicht MUSS!
dass du ihr gerne mal das kind ein paar stunden abnimmst, dass dies aber keine BEVORMUNDUNG sein soll.
dass du ihr deine HILFE anbietest, ihr diese aber nicht AUFZWÄNGEN willst und auch nicht wirst.

wir ads-ler reagieren "allergisch" auf jegliche art von druck...und sei es auch noch so gut gemeint! dann verfallen wir schnell in oppositionelles trotzverhalten und machen DICHT vielleicht liege ich auch total daneben - aber vielleicht ist das auch der "schlüssel", um diesen teufelskreis zu durchbrechen, den du beschrieben hast....

keine ahnung......

aber du wirst hier bestimmt noch ein paar antworten von den anderen bekommen - vielleicht hat ja noch jemand ne gute idee.......

ich wünsch dir jedenfalls, dass es bei deiner tochter etwas früher "klick" macht und es nicht so weit kommen muss, wie bei mir damals.....

liebe grüße, käferle


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06.02.2008 23:12
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#3
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( Gast )

Hallo, Käferle!
Vielen Dank für die prompte Antwort. Ich glaube, ich war nicht sehr höflich, als ich
als Neuling gleich so reinplatzte, ohne mich richtig einzuführen. Entschuldigung!

Offenbar bleibt uns tatsächlich nicht anderes übrig, als einfach abzuwarten.
Die junge Familie zieht demnächst in eine eigene Wohnung. Sicher sehr gut für die
Selbständigkeit, andererseits fehlt dann natürlich die bisherige Organisation durch
Mama und Papa. Vermutlich wird dann das Chaos noch viel deutlicher. Zum Glück ist
die Wohnung nicht weit weg, da können wir ihnen notfalls zur Seite stehen.
Das mit der Entwicklungsverzögerung stimmt genau. Meine Tochter war und ist deutlich
einige Jahre zurück. Allerdings setzte die Pupertät recht pünktlich ein .
Wir sind gespannt, ob sich ihr Kind auch in Richtung ADS entwickelt. Es hat jetzt
schon Phasen, bei denen es viele Sekunden lang völlig "weg" ist und nicht reagiert.
Allerdings weiß ich nicht, ob das für ein 16 Monate altes Kind schon symptomatisch
oder noch normal ist.

Viele Grüße

Meta


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06.02.2008 23:27
#4
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Hi Meta,

oje, ich ahne so einiges. Sorge bitte dafür, dass ein wirklich fachkundiger Arzt dein Enkelkind anguckt. ADS wird vermutlich noch nicht diagnostiziert werden, doch sollte es sich um Absencen oder Anzeichen von Asperger oder sowas ähnliches handeln, muss man dranbleiben.

Eine ADS-Diagnose wird in ein paar Jahren möglicherweise folgen, lass Zwergi erst mal in den Kiga kommen. Wenn es so weit ist, sorge dafür, dass deine Tochter sich beizeiten an die richtigen Fachleute wendet UND EIN ELTERNTRAINING MACHT! Spätestens beim ET wird deiner Tochter dann ein Licht aufgehen und sie hat dann Kontakt zu Fachleuten, die ihr auch mit ihrem eigenen ADS weiterhelfen können.

Viele Grüße
Susanne


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06.02.2008 23:31
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#5
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( Gast )

Hallo, Susanne!

Vor diesem Forum habe ich noch nie von einem Elterntraining gehört.
Was ist das und was wird da gemacht? Ganz zu schweigen davon, dass ich nicht mal
wüsste, wo es hier im Raum Dresden sowas gibt.

Danke

Meta


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07.02.2008 00:05
#6
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Hi Meta,

geh mal auf die website des ADHS Deutschland e.V. http://www.adhs-deutschland.de und suche dort nach einer Selbsthilfegruppe in DD. Notfalls musst du auf der Geschäftsstelle anrufen, damit man dir einen Kontakt nennt.

Oder schau mal auf unserer website nach: http://www.ads-ev.de / Wir über uns / Wissenschaftlicher Beirat. Dort ist ein Professor aus Chemnitz genannt. Ich könnte mir vorstellen, dass du über google eine Kontaktadresse finden kannst.

@ Binie und Andrea:
Es wär halt scho gschickt, wenn unsere Referenten auch das versprochene Material zeitnah rüberwachsen lassen würden, dann hätte man es nämlich parat, wenn man danach gefragt wird .

Allgemeine Infos über Elterntraining kannst du auch im Forum finden, gib einfach bei "Suchen" Elterntraining ein.

Viele Grüße
Susanne



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07.02.2008 12:25
#7
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liebe meta,

brauchst dich doch nicht entschuldigen....... mein willkommensgruß war nicht als "vorwurf" gemeint, weil du dich nicht vorgestellt hast, sondern einfach nur herzlich gemeint!!!

ich persönlich sehe eine GROSSE chance in dem baldigen umzug deiner tochter.

weisst du, solange ich jemanden habe, der sich um alles kümmert, muss ICH es ja nicht unbedingt machen...und dann TUE ich es auch nicht, weil ich eine faule socke bin... mein kinder- und jugendzimmer sah früher immer aus wie bei hempels unterm sofa! aber wenns zu schlimm wurde, sind mama und oma durchgewirbelt und es war wieder sauber.... naja...jetzt in meiner eigenen wohnung bleibt das zeug (und nicht nur meins, sondern auch das von meinem mann und den zwei kindern...) eben LIEGEN...und urplötzlich bin ICH diejenige, die da durchwirbelt, weil ich das chaos hier nicht haben möchte

versuche deine tochter in ihrem verantwortungsgefühl und ihrer selbständigkeit zu bestärken, OHNE sie unter druck zu setzen, aber auch OHNE ihr von anfang an alles abzunehmen. renn auch nicht jeden tag 5 mal rüber um zu "kontrollieren", ob alles ok ist! (das nervt nämlich und gibt uns das gefühl, dass wir BLOS nichts falsch machen dürfen, weil ja ständig kontrolliert wird..) lass sie erst mal in der wohnung fuss fassen und "alleine wurschteln"! sag ihr sowas wie: "ich bin gerne für dich da, wenn du mich brauchst, aber ich WEISS, dass du das auch alleine hinkriegst! der anfang ist bei jedem schwer, aber das SCHAFFST du!!!" mache ihr MUT! versuche, dich ein wenig zurück zu halten und nur einzugreifen, wenn sie um hilfe bittet - und gebe ihr diese hilfe dann von HERZEN und ohne vorwürfe ("..siehst du, es sieht aus wie im schweinestall.."). ignoriere erst mal, wenn kleinigkeiten nicht so gut laufen, aber LOBE ALLES, was sie gut hinkriegt!!!!!

wenn wir gelobt werden, ist das eine wunderbare positive verstärkung und wir entwickeln ein gefühl von stolz für uns und unsere leistung! das "streichelt" unseren mandelkern im gehirn - und dann wird dieser "angeschaltet" und will mehr von diesem lob haben - folglich strengen wir uns mehr an, ohne es zu merken

liebe grüße


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07.02.2008 18:31
avatar  Tonks
#8
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Liebe Meta,

auch von mir ein herzliches Willkommen hier im Forum.
Als erstes – ich schicke dir eine PN mit Mailanschriften von Gruppen im Raum Dresden.
Käferles Erklärungen und Schilderung der Gefühle schließe ich mich an, Käferle hat es alles so schön beschrieben.
Ganz wichtig finde ich den Hinweis Hilfe anzubieten, Hilfe auf die deine Tochter zurückgreifen KANN.
Das Gefühl, einen vertrauten Menschen um Hilfe bitten zu können und keine Vorwürfe hören, das ist
erleichternd und macht Mut. Das Gefühl den Überblick zu verlieren oder gar keinen Durchblick zu haben, das ist
so unbeschreiblich erdrückend und mit diesem Druck kann sich das Pflänzchen Selbstbewusstsein gar nicht entwickeln und
Durchblick stellt sich erst recht nicht ein.
Erst nachdem ich die Diagnose ADHS erhielt (Ich doch nicht, das kann nicht sein…) verstand
ich, WARUM ich dermaßen chaotisch und unorganisiert war (Hmpff, bin ich ja noch immer so´n büschen…)
Und vor allem – WARUM ich mit meinem Willen alleine nichts ändern konnte.
Doch das hat Käferle bereits alles geschrieben,
viele Grüße,
Tonks


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07.02.2008 22:32
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#9
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( Gast )

Tolles Forum! Habe lange nicht mehr so eine informative, kompetente, mitfühlende, hilfreiche und freundliche Gemeinde gefunden.
Recht vielen Dank!
Ein gestresster Papa (auch wenn der Nickname irreführend ist )

Meta


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08.02.2008 00:01
#10
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Hi Meta,

danke für die Blumen an käferle und tonks. Doch eine Frage hätte ich noch: Wie möchtest du denn angesprochen werden? Lieber Meter?

Viele Grüße
Susanne


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