RE:Für und Wider die Gemeinschaftsschule
#1
Dieser Startbeitrag ist ein Auszug aus einem Beitrag von Mandelkern zu einem anderen Thema.
... Die Beschwerden der Ausbilder darüber, dass sie Azubis haben, die teilweise kaum das frühere Grundschulniveau haben, nehmen drastisch zu. Wundert uns hier natürlich nicht. Jetzt lass die Gemeinschaftsschulen (an Nicht-B-W'ler: das sind NICHT die Gesamtschulen, die es in manchen Bundesländern gibt, sondern es handelt sich um eine geradezu geniale neue Schulform hier - da sind die Lehrer nicht mehr Lehrer, sondern Lernbegleiter - noch Fragen ?), die ja noch weitgehend in den ersten Jahren sind, den Karren endgültig an die Wand fahren, dann steht wieder irgend ein Bildungsguru auf und stellt fest, dass Kinder klare Regeln und eine deutliche Anleitung brauchen - wollen wir wetten ?
...
LG, Mandelkern
#2
@Mandelkern: Es ist zwar vielleicht ein Seitenstrang des Themas hier (und ich bin neu hier, habe die Forenregeln gelesen, will mich nicht zu sehr outen etc.), aber ich habe mich gefragt, welchen konkreten und nahen Bezug du zu Gemeinschaftsschulen hast. Und was deine Befürchtung nährt, dass ausgerechnet diese Schulform (zugegeben, in Ba-Wü noch ziemlich in den Kinderschuhen) den Karren endgültig an die Wand fahren wird.
Mein Bezug dazu ist, dass ich ein ADS-Kind (Träumervariante) an einer Gemeinschaftsschule habe und mich ehrenamtlich übergreifend und intensiv für eine vertrauensvolle und partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule engagiere. Soweit ich einen Einblick habe, kommt diese Schulform durchaus dem Strukturbedürfnis - jedenfalls meines Kindes - entgegen, in ihr engagieren sich (bei uns) die LehrerInnen, die das einzelne Kind (durchaus wörtlich zu nehmen) im Blick haben. Und die Coaches, die die Kinder neben den Lernbegleitern auch noch unterstützen, geben den Kindern noch einmal Halt, Struktur und Motivation, weil sie als Menschen sehr präsent sind. Diese Schulform ist kein Paradies, wie leider die Schullandschaft insgesamt kein Paradies ist -, aber ich sehe die Faktoren, die eventuelle Karren an eventuelle Wände fahren, doch eher übergeordnet bzw. schulformübergreifend.
LG, Kugelblitz
#3
Hallo Kugelblitz,
danke für die Vorlage .
Leider finde ich spontan nicht den Beitrag von *fälltmirnichteingrmpf*, dort wurde schon einiges ausgetauscht.
Zitat von Kugelblitz im Beitrag #2
@Mandelkern: Es ist zwar vielleicht ein Seitenstrang des Themas hier (und ich bin neu hier, habe die Forenregeln gelesen, will mich nicht zu sehr outen etc.), aber ich habe mich gefragt, welchen konkreten und nahen Bezug du zu Gemeinschaftsschulen hast. Und was deine Befürchtung nährt, dass ausgerechnet diese Schulform (zugegeben, in Ba-Wü noch ziemlich in den Kinderschuhen) den Karren endgültig an die Wand fahren wird.
Klar darfst du fragen. Da ich mich aber nicht zu sehr outen möchte, beschränke ich mich zunächst allgemein darauf, dass ich mich auch als "Quasi-Mitarbeiterin" schon intensiv mit Schule und Pädagogik beschäftigt habe. Ich bin allerdings keine Lehrerin - habe aber drei Kinder, von denen eines kürzlich Abi gemacht hat, und noch zwei mit der Schule kämpfen. Alle sind ADHS'ler mit unterschiedlicher Ausprägung, und es sind alle Varianten vertreten: Hype, Mischtyp, Träumer.
Zudem kenne ich mehrere Kinder, die gerade auf (verschiedene) Gemeinschaftsschulen gehen, und privat mehrere erfahrene Lehrkräfte, eine Lehrerin ist aktuell Springer an einer taufrischen Gemeinschaftsschule.
Es mag toll funktionieren - für manche Kinder, an manchen, personell gut ausgestatteten Schulen, bei optimalen Bedingungen.
Meine Hauptkritik bezieht sich darauf:
1. Die viel gepriesene "Zusammenarbeit zwischen Elternhaus und Schule" ist nichts anderes als dass Eltern zu Hilfslehrern gemacht werden. Das sind sie schon (viel zu) lange, jetzt aber benennt man das auch noch mit einem Etikett, junge, unerfahrene Eltern springen auch noch darauf an, und fallen genial rein - das gibt unter Eltern nur sehr lange keiner zu.
2. Jüngere Schüler sind noch vollkommen überfordert mit der so frühen Selbstorganisation - und zwar so ziemlich alle, ob mit oder ohne ADHS. Das WISSEN auch diejenigen Eltern, die mit dem Begriff "Wochenplan" etwas anfangen können: Die Kinder sind einfach noch nicht REIF genug dafür, also gibt es in fast allen Familien heftige Kämpfe, wenn daheim nachgearbeitet werden muss.
3. In der Pubertät - wenn das Gehirn nachweislich ziemlich umgebaut wird - haben die meisten Jugendlichen keinen Bock auf Schule. Selbst organisiertes Lernen ? Da lachen erfahrene Eltern ja nur, das scheitert garantiert. Auch hier gilt: Eltern hauen wieder alles raus.
4. Lehrer als Lernbegleiter ? Sorry, aber Lehrer sollten Lehrer sein, das ist einfach nur ein blödes Etikett.
Nochmals: Es mag Kinder geben, die auch in diesem System reüssieren. Und da Eltern sich sehr oft anlügen, bis sich die Balken biegen - DAS kann ich als alte Mutter nun wirklich beurteilen - denkt jede Familie, sie sei ganz allein mit den Problemen.
Für mich sind die Gemeinschaftsschulen ein gigantischer Etikettenschwindel, eine reine Sparmaßnahme (denn: natürlich "muss" man gleichzeitig ganz viele Werkrealschulen schließen, weil sich die kleinen Klassen "nicht mehr lohnen").
Das ist die Kurzform - ich muss jetzt leider weg, schaue aber vielleicht später wieder rein.
LG, Mandelkern
P.S.: Bist du Lehrerin ?
@Mandelkern
Meinst du den hier: Nachteilsausgleich ?
#5
Zitat von SusanneG im Beitrag #4
@Mandelkern
Meinst du den hier: Nachteilsausgleich ?
Ja, kann sein. Zottel schreibt auf Seite 2 viel dazu, das ich komplett unterschreibe - genau so habe ich das erst letzte Woche von der Ehefrau eines Freundes gehört (Kind in Kl. 5 einer Gemeinschaftsschule, hochintelligenter ADHS'ler, täglich Tränen, verzweifelte Mutter ...).
#6
Hallo Mandelkern,
auf eine Frage kann ich kurz und bündig antworten: Ich bin keine Lehrerin!
Ansonsten habe ich mir den anderen Thread jetzt durchgelesen.
Ich habe im letzten Schuljahr unendlich viele Diskussionen (sehr unterschiedlicher sachlicher Qualität) zum Thema Gemeinschaftsschule gehört, geführt ..., ich glaube, in bin da erst einmal so gesättigt, dass ich jetzt dazu keine langen Beiträge mehr schreiben möchte.
Ich habe, was Schule angeht, ohnehin sehr viele Fragezeichen ... Und, ja, mag die Gemeinschaftsschule eine mehr oder weniger gut getarnte Sparmaßnahme sein - der Rotstift ist auch in anderen Schulformen und Gesellschaftsbereichen fleißig am Werke ...
Ich werde mein Kind und die konkrete Gemeinschaftsschule natürlich im Auge behalten. Meine Entscheidung dafür (mein Kind hat Gymi-Empfehlung) war u. a., dass sie ortsnah ist, eine eher kleine übersichtliche Schule, in der jeder jeden kennt. Und dass es eine Inklusions-Klasse mit geistig Behinderten und zusätzlichem Sonderpädagogen(und Fachlehrer und FSJ'ler) ist. Mein Kind hat sich schon in der Grundschule für diese "noch besondereren" Kinder interessiert - sie sind fast vollständig einfach von der Grundschule in die Gemeinschaftsschule umgezogen.
Ich bin für keine Schulform missionarisch unterwegs.
Man muss seinen Weg finden. Und, ja, Schulformentscheidungen sind wichtig, aber sie sind keine Entscheidung auf Leben und Tod. Und überall gibt es Vor- und "Hinterteile".
Jetzt muss ich auch erst einmal weg.
Zitat
Für mich sind die Gemeinschaftsschulen ein gigantischer Etikettenschwindel, eine reine Sparmaßnahme (denn: natürlich "muss" man gleichzeitig ganz viele Werkrealschulen schließen, weil sich die kleinen Klassen "nicht mehr lohnen").
Mandel, was ich in den letzten Monaten mitbekommen habe lässt mir echt die Haare zu Berge stehen. Für mich ist diese Schule einfach nur eine riesen Mogelpackung.
Den Eltern wird verkauft, dass Realschulstoff vermittelt wird. Das stimmt nie und nimmer. Das wurde mir von einigen Lehrern auch schon bestätigt. So manche Lehrkraft ist selbst geschockt. Da gibt es in vielen Familien sicherlich noch ein ziemlich böses Erwachen... so ganz ohne Noten...
Ich kenne inzwischen einige Eltern die schon ältere Kinder auf dem Gymnasium oder auf der Realschule haben und sich nun die Gemeinschaftsschule angeschaut haben. Sozusagen alte erfahrene Hasen. Allesamt haben "dankend" abgelehnt und sogar teilweise beschlossen, ihr Kind (mit Realschulempfehlung) auf dem Gymnasium anzumelden. Einfach weil sie Sorge haben, dass die Realschule zwischendurch zur Gemeinschaftsschule "umgebaut" wird....
Grüße
Zottel
Wie ich finde sehr passend zum Thema:
http://bildung-wissen.eu/fachbeitraege/lob-der-klasse.html
Grüße
Zottel
Zitat
Und da Eltern sich sehr oft anlügen, bis sich die Balken biegen - DAS kann ich als alte Mutter nun wirklich beurteilen - denkt jede Familie, sie sei ganz allein mit den Problemen.
Ja, ja - und wenn man dann mal so ein bischen an der "Oberfläche" kratzt kommt dann doch raus, welch unglaubliche Maschinerie in den Familien am Laufen ist, um das Kind irgendwie durch die Schule zu bekommen. Selbst bei "Normalo-Eltern"...
Leute, wie haben wir nur die Schule ohne Internet (Suchmaschinen, Lernplattformen), Klassenarbeitstrainer-Heftchen, Lösungshefte für Mathebücher, Nachhilfelehrer, Einmischung der Eltern, Power-Point, Kopierer, Scanner, Fax und teilweise sogar ohne TELEFON geschafft?!?!?
Wie haben wir es nur geschafft trotz Schule mittags Spaß im Freibad zu haben ohne völlig zu verblöden. Wie haben wir es geschafft ohne Wochenendarbeit durch die Schule zu kommen?
Ganz einfach. Lehrer haben ihren eigentlichen Job gemacht: Schulstoff strukturieren und kindgerecht lehren. Sie haben Hänschen gesagt, wie er was bis wann zu lernen hat und dies dann auch kontrolliert bzw. rigide eingefordert
Ach ja, und Grundschüler hatten noch ein Recht auf Spielen. Sie mussten noch keine Vorträge halten können und diese mittags ausarbeiten.
Keine Ahnung weshalb man dann plötzlich dachte, man müsse jetzt das Rad neu erfinden. So wurde ein neuer Markt künstlich geschaffen. Der Nachhilfemarkt. Der einzige der vom derzeitigen Schulsystem profitiert. Nachhilfeinstitute und Schulbuchverlage verdienen sich inzwischen eine goldene Nase.
Ich kenne Eltern, die sich überlegt haben, ein 3. Kind zu bekommen. Das Thema aber aufgrund des damit verbundenen Schulstresses (!) "ad acta" gelegt haben. Normalo-Eltern!!!
Ich kenne (kluge) (Normalo-)Eltern, die ihr zweitgeborenes Kind einfach SPÄTER eingeschult haben,
nachdem sie beim erstgeborenen "Normalo-Kind" gesehen haben, was bereits in der Grundschule so abgeht . Eltern, die diese Entscheidung übrigens nie bereut haben...
Die Schere wird so immer weiter aufgehen. Was ist mit den Kindern, deren Eltern nicht dazu in der Lage sind den Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen (aus welchen Gründen auch immer)? Deren Eltern keine Nachhilfestunden finanzieren können.
Was wird aus Kindern, die auf Struktur angewiesen sind? Was wird aus ADHS-lern?
Es werden immer mehr Kinder durchs Netz fallen.
Was für ein gigantischer Mist.
Anstatt das Problem an der Wurzel zu packen wird es noch skurriler. Hausaufgaben, Notengebung, "sitzenbleiben" = wird einfach mal abgeschafft.
Grüße
Zottel
Zitat
Anstatt das Problem an der Wurzel zu packen wird es noch skurriler. Hausaufgaben, Notengebung, "sitzenbleiben" = wird einfach mal abgeschafft.
... es wird den Gymmi-Kindern sogar noch ein Schuljahr "geklaut". Was sich natürlich auch auf die Grundschule und auf die Realschule auswirkt...
So, ich geh jetzt mal wieder in die Versenkung. Ihr merkt schon, das Thema ist für mich *DER AUFREGER* schlechthin
Bin ich froh, dass ich kein Kindergartenkind mehr habe - schlimmer geht echt immer...
Grüße
Zottel
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