Eindosierung Medikinet retard - Herzrasen, starker Rebound

16.04.2024 22:58 (zuletzt bearbeitet: 16.04.2024 22:59)
avatar  Sunmoon
#1
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Hallo,
meine Tochter, 10 Jahre, hat ADS. Diagnose erfolgte mit 6. Nachdem es mit 6 nicht richtig geklappt hatte, nun der 2. Einsortierungsversuch. Ihr wurde somit Medikinet retard 5 mg verschrieben. Sie hat es 4 Tage in Folge morgens eingenommen, in dem wir ihr den Kapselinhalt nach dem Frühstück (immer Rührei, Fruchtquark, Milch, Banane) mit einem Löffel Apfelmus verabreicht haben. Sie hatte morgens jeweils gut gefrühstückt, obwohl dies uns in unserer morgendlichen gut einstudierten Routine mangels Appetit zusätzlichen Stress bereitete, aber dieser zusätzliche morgendliche Schritt wäre in Ordnung gewesen.
Die ersten 4 Tage bemerkten wir die positive Wirkung des MPH. Nach 1,5 sowie nach 5,5 Std konnte man eine leichte überschießende aber positive Euphorie an ihr bemerken (Redeschwall). Ansonsten verbesserten sich Aufmerksamkeit und Impulsivität und unsere Tochter war wacher und konnte laut ihrer Aussage in der Schule besser mitmachen. Ich stellte nach den 6-8 Stunden Wirkzeit jeweils keinen Rebound fest, sie war 10-11 Std gut drauf. Abends nach 12 Stunden der Einnahme war sie aber unruhiger als sonst bzw es kam an einem Abend zum hyperfokussierten Lesen eines interessanten Buchs bis spät in die Nacht hinein.
Am 4. Abend kam es dann zum Overload und absolut schlimmsten Ausbruch, den ich je bei ihr erlebt habe, welcher eine Std anhielt, so dass sie schrie, sich auf dem Boden wälzte, um Hilfe flehte, und der Reizfilter war komplett auf Null. Sie schlief dann unruhig und am nächsten Morgen kam sie kaum aus dem Bett, hatte Herzrasen, Puls, Muskelschmerzen, Mundtrockenheit, war schwach, und erst um 10h ging es ihr wieder besser. Wir haben seit dem kein Medikinet mehr gegeben. Dies war vor einer knappen Woche.
Wir können die 5 mg Medikinet retard ja nun nicht niedriger dosieren. Was wäre jetzt sinnvoll? Präparatwechsel? Aber außer unretardiertem MPH, wie bspw Medikinet unretardiert, gibt es m. E. nichts mit MPH, was so niedrig dosiert ist und ein Retardmedikament erscheint mir sinnvoller als ein Medikament, welches 2-3 mal am Tag eingenommen werden muss. Ich hätte Angst, dass wir nun ein höher dosiertes Retardpräparat nehmen müssen, welches dann zu noch dosiert ist und zu noch schlimmeren NW führt. Insbesondere der Redeschwall zu den Peaks der Wirkkurve, deutet darauf hin, dass 2,5 mg vllt schon fast zu viel sind?! Wenn ich selbst betroffen wäre, würde ich mich vllt auf die NW einstellen und es probieren, aber ich kann meiner Tochter solch eine Situation nicht nochmal zumuten. Gibt es Erfahrungen und Ratschläge hier im Forum? LG


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17.04.2024 15:02
#2
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Hi Sunmoon, sei herzlich willkommen bei uns im Forum !

Zitat von Sunmoon im Beitrag #1
Ihr wurde somit Medikinet retard 5 mg verschrieben. Sie hat es 4 Tage in Folge morgens eingenommen, in dem wir ihr den Kapselinhalt nach dem Frühstück (immer Rührei, Fruchtquark, Milch, Banane) mit einem Löffel Apfelmus verabreicht haben.

Zitat von Sunmoon im Beitrag #1
Nach 1,5 sowie nach 5,5 Std konnte man eine leichte überschießende aber positive Euphorie an ihr bemerken (Redeschwall).

Hmmm. Möchtest du auf die so genannten Peaks (jeweils höchste aktive Wirkstoffmenge) hinaus? Bei deinen Zeitangaben würde das bedeuten, dass die Anflutung 90 Minuten dauert (statt 20 bis 60 Minuten). Allerdings soll der Redeschwall durch MPH ja gerade in mäßige Bahnen gelenkt werden .

Zitat von Sunmoon im Beitrag #1
Ich stellte nach den 6-8 Stunden Wirkzeit jeweils keinen Rebound fest, sie war 10-11 Std gut drauf.

Definiere "gut drauf".

Zitat von Sunmoon im Beitrag #1
Abends nach 12 Stunden der Einnahme war sie aber unruhiger als sonst

Das kann sein, insbesondere am Anfang. Dem würde ich vorläufig keine große Bedeutung beimessen.

Zitat von Sunmoon im Beitrag #1
Am 4. Abend kam es dann zum Overload und absolut schlimmsten Ausbruch, den ich je bei ihr erlebt habe, welcher eine Std anhielt, so dass sie schrie, sich auf dem Boden wälzte, um Hilfe flehte, und der Reizfilter war komplett auf Null.

Beschreibst du hier einen autistischen Meltdown? Was ging voraus? Sind in Richtung ASS schon Schritte unternommen worden?

Zitat von Sunmoon im Beitrag #1
Wir können die 5 mg Medikinet retard ja nun nicht niedriger dosieren.

Doch. Ich bezweifle aber, dass das was bringt. Hier scheint mir irgendetwas anderes nicht zu passen, aber nicht die Dosierung.

Du kannst es ja mal probieren. Gib den Kapselinhalt von 5 mg Medikinet retard in ein Glas Wasser und rühre gut um. Dann nimm ein genau gleiches Glas und fülle exakt die Hälfte in das leere Glas. Jetzt hast du in jedem Glas 2,5 mg MPH, welches in zwei Phasen zu je 1,25 mg freigesetzt wird.

Zitat von Sunmoon im Beitrag #1
Was wäre jetzt sinnvoll? Präparatwechsel?

Probiere die 1,25 mg. Wenn das nicht so ist, wie es soll, gib wieder 5 mg. Fixiere dich nicht auf die Beobachtung. Wenn deine Tochter wieder einen Meltdown hat oder auch etwas Harmloseres, was trotzdem kein Mensch braucht, setze es wieder ab.

Und wurscht, wie das läuft - bespreche das in jedem Fall detailliert mit dem Arzt!

Zitat von Sunmoon im Beitrag #1
ein Retardmedikament erscheint mir sinnvoller als ein Medikament, welches 2-3 mal am Tag eingenommen werden muss.

Auf lange Sicht, ja. Wenn es um die Einstellung geht, ist nach meiner Ansicht ein sofort freisetzendes Medikament besser. Erstens, weil auch die Art der Retardierung Einfluss auf die Wirkung hat, zweitens, weil unangenehme Erscheinungen nur maxmal vier Stunden lang anhalten und keine acht.

Zitat von Sunmoon im Beitrag #1
Ich hätte Angst, dass wir nun ein höher dosiertes Retardpräparat nehmen müssen,

Solange der Anschein besteht, dass 2,5 mg pro Freisetzung zu viel sind, kommt das nicht in die Tüte. Es gibt noch andere Wirkstoffe.

Siehe oben - ich gehe davon aus, dass wir das Problem woanders suchen müssen.

Lesen gefährdet die Dummheit


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17.04.2024 15:50 (zuletzt bearbeitet: 17.04.2024 15:51)
avatar  AndreaA
#3
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Hallo Sunmoon,
auch von mir ein herzliches Willkommen hier bei uns im Forum.

Zitat von SusanneG im Beitrag #2
Zitat von Sunmoon im Beitrag #1Am 4. Abend kam es dann zum Overload und absolut schlimmsten Ausbruch, den ich je bei ihr erlebt habe, welcher eine Std anhielt, so dass sie schrie, sich auf dem Boden wälzte, um Hilfe flehte, und der Reizfilter war komplett auf Null.

Zitat

Beschreibst du hier einen autistischen Meltdown? Was ging voraus? Sind in Richtung ASS schon Schritte unternommen worden?



Das habe ich beim Lesen auch gedacht, Susanne.

Das "was ging voraus" wäre hier sehr wichtig zu wissen. Wie war der Tag? Was wurde gemacht? War etwas anders? Wie waren die letzten Tage? Standen viele Termine an? Gab es nicht geplante Änderungen der Tagesroutine? Gab es was in der Schule (negativ, aber auch positives was außerhalb der Routine ist). Hat sie gut oder schlecht geschlafen in den letzten Tagen? Usw.

Viele Grüße
Andrea


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17.04.2024 20:05
avatar  Sunmoon
#4
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Hallo und vielen Dank für deine Antwort, SusanneG.
Einen Redeschwall möchten wir natürlich nicht haben. Für mich ist es ein Zeichen für zu hohe Dosierung und ich vermutete, dass er in Zusammenhang mit dem Gipfel der Wirkkurve liegt, an dem das Medikinet am meisten wirkt.
Meine Tochter war in den 10 Stunden ab der Einnahme gut drauf. Damit meine ich u. a. aufmerksam, entspannt, glücklich, konnte die Erlebnisse des Schulvormittags wiedergeben, hat Hausaufgaben gemacht.
Bezüglich des Overloads am 4. Abend. Wir hatten schon häufiger Overloads, allerdings nicht so extrem. Ich habe auch schonmal gehört, dass es diese bei Autismus gibt, allerdings hatte ich vermutet, dass sie aufgrund der Reizfilterschwäche auch bei ADS auftreten können. Autismus wurde im SPZ mit 6 ausgeschlossen. Das einzige autistische Verhalten, welches meine Tochter aufweist, ist das Händeflattern bei großer Begeisterung. Das fällt natürlich in das Autismusspektrum. Dachte aber, dass dies auch bei Reizoffenheit durch ADS kommen kann. Werde dazu nochmal mit dem Arzt sprechen.
Können ADSler auch Overloads bekommen?
Es war in unserem Fall an dem Abend so, dass meine Tochter die Abläufe für das Zubettgehen nicht mehr hinbekommen hatte wg ihrer schlechten Handlungsplanung und dann gab es eine schroffe Bemerkung unsererseits, was nicht richtig von uns war in einem Moment, an dem ihre Nerven schon blank liegen, und irgendwie ist es dann bei ihr eskaliert. Der Tag war davor sehr harmonisch. Keine besonderen Vorkommnisse, Spielplatz, Fahrradfahren, gutes Wetter.
Die niedrige Dosierung mit dem Wasserglas probieren wir.
Das Herzrasen war nb dem Zusammenbruch die Nebenwirkung, die mir besonders Angst gemacht hat. Kann dies von den Trägerstoffen kommen?
LG
Sunmoon


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17.04.2024 21:04
#5
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Zitat von Sunmoon im Beitrag #4
Für mich ist es ein Zeichen für zu hohe Dosierung

Nein. Bei zu hoher Dosierung wird nicht mehr gequasselt. Bei Überdosierung will man nur noch alleine sein, Rolläden runter, Radio aus. Ich hab selbst schon Überdosierungen erlebt und schon mehrfach andere begleitet. Gequasselt hat da niemand.

Zitat von Sunmoon im Beitrag #4
Bezüglich des Overloads am 4. Abend. Wir hatten schon häufiger Overloads, allerdings nicht so extrem. Ich habe auch schonmal gehört, dass es diese bei Autismus gibt, allerdings hatte ich vermutet, dass sie aufgrund der Reizfilterschwäche auch bei ADS auftreten können.

Zitat von Sunmoon im Beitrag #4
Können ADSler auch Overloads bekommen?

Die Reizfilterschwäche ist das Problem sowohl bei ADHS als auch bei Autismus. Die Folgen eines Overloads unterscheiden sich. Beim Autisten folgt ein Meltdown (das, was du beschreibst), bei ADHS folgen Unruhe, Logorrhoe, Nichtansprechbarkeit (boah, was für ein Wort!).

Zitat von Sunmoon im Beitrag #4
Händeflattern bei großer Begeisterung. Das fällt natürlich in das Autismusspektrum. Dachte aber, dass dies auch bei Reizoffenheit durch ADS kommen kann.

Könnte. Ja. Wenn, dann ausgesprochen selten. Mehr als die Hälfte der Autisten hat auch eine ADHS. Beide Störungen nehmen sich gegenseitig die Spitzen, deshalb wird die zweite Störung oft nicht erkannt.

Zitat von Sunmoon im Beitrag #4
Das Herzrasen war nb dem Zusammenbruch die Nebenwirkung, die mir besonders Angst gemacht hat. Kann dies von den Trägerstoffen kommen?

Das Herzrasen hängt mit dem Meltdown zusammen. Die Trägerstoffe haben damit rein gar nichts zu tun.

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17.04.2024 22:07
avatar  Sunmoon
#6
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Hallo AndreaA, danke für deine Antwort. Es war dann wohl ein autistischer Meltdown. Autismusdiagnose haben wir nicht. Aber es sind autistische Züge in geringem Umfang vorhanden. Wie ich nun von SusanneG erfahren habe, kommt das Herzrasen durch einen Meltdown. Verursacht er auch Gliederschmerzen und Mundtrockenheit? Oder sind dies dann doch NW des MPH?
Ich habe mal gelesen, dass ADHS die Symptome des Autismus verdecken. Ich werde dies mit dem Arzt besprechen.
An dem Tag des Meltdowns und in den Tagen davor war natürlich etwas anders, und zwar die Einnahme des Medikinets. Zudem entstand der Overload aufgrund der Aufregung vor dem kommenden Tag. Das fürs Bett fertig machen wurde dann schwierig. Es entstand Stress, denn es stand eine herausfordernde Veranstaltung außer der Reihe in der Schule bevor.
Ich dachte immer, dass es sich bei den früheren Meltdowns um ADHS - Meltdowns handelt. Diese sind bei uns statt von Wut von Reizüberflutung und Hilflosigkeit gezeichnet.
Danke für die Denkanstöße. Dies sind neue Ansätze für mich.


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17.04.2024 22:59
#7
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Zitat von Sunmoon im Beitrag #6
Meltdowns ... Wut

Meltdowns und Wut haben nicht das Geringste miteinander zu tun.

Lesen gefährdet die Dummheit


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18.04.2024 09:56
avatar  Sunmoon
#8
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Ja, SusanneG, wenn ich die Situationen mit den Meltdowns Revue passieren lasse, dann war da keine Wut. Nur Hilflosigkeit und Panik.
Ich hoffe nun nur, dass es bei der Gabe der Medikamente nicht aufgrund der Rebounds und Unruhe am Abend zur Häufung und Intensivierung der Overloads und Meltdowns kommt. Dann hätten wir zwar eine bessere Situation am Tag, aber dafür wären die Abende schlimmer.


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18.04.2024 18:46
avatar  AndreaA
#9
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Zitat von Sunmoon im Beitrag #6
Aber es sind autistische Züge in geringem Umfang vorhanden.

Es gibt keine "autistischen Züge" es gibt Autismus. Autismus ist ein Spektrum (deshalb AS - Autismus-Spektrum).
Man kann mehr oder weniger tief im Spektrum sein.

Zitat von Sunmoon im Beitrag #6
An dem Tag des Meltdowns und in den Tagen davor war natürlich etwas anders, und zwar die Einnahme des Medikinets. Zudem entstand der Overload aufgrund der Aufregung vor dem kommenden Tag. Das fürs Bett fertig machen wurde dann schwierig. Es entstand Stress, denn es stand eine herausfordernde Veranstaltung außer der Reihe in der Schule bevor.


Da hast du doch deine Antwort. Eine herausfordernde Veranstaltung in der Schule und vorher die ganzen Reize die der Tag sowieso schon mit sich bringt und abends unzufriedene Eltern die ggf auch etwas lauter in ihre Ansprache werden. Da kann es schon mal zum Overload oder Meltdown kommen.

Was kannst du dann machen? REIZE REDUZIEREN! KEIN ansprechen - KEINEN Ton, KEIN anfassen, Licht aus, Absolute Ruhe, dem Kind Rückzug gewährleisten, ABER immer ansprechbar bleiben und ggf lautlos vor Ort, wenn das KIND es einfordert. Alle Stressfaktoren runterfahren und das Kind ggf am nächsten Tag in der Schule krank melden.


Mein Kind sagt immer, dass ein Meltdown richtig, mega anstrengend ist und soviel Kraft kostet, dass er am nächsten Tag den Reizen nicht wieder ausgesetzt sein kann, weil er sonst noch mehr Kraft verliert.


Dem Kind auf gar keinen Fall das Gefühl geben (durch Worten oder Gesten) dass es falsch ist!


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18.04.2024 19:11
avatar  Sunmoon
#10
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Danke für deinen Hinweis bezüglich des ASS. Da habe ich wieder was gelernt.
Und mein Verhalten beim Overload/Meltdown werde ich auf jeden Fall anpassen.
Ihr habt mir mit euren Antworten sehr geholfen.
LG


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