Hallo Tindra,
herzlich willkommen hier bei uns im Forum!
Ich habe den Eindruck, dass du momentan gut betreut wirst und bin gespannt, was du bei deinem Termin im Oktober zu hören bekommst. Du kannst dich aber gerne schon jetzt mit uns austauschen.
Meine eigene Diagnose bekam ich mit Mitte/Ende 30. Ich erinnere mich sehr gut daran, wie mir nach und nach unendlich viele Schuppen von den Augen gefallen sind als ich erkannt habe, dass es einen handfesten Grund für mein Komischsein gibt
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Deine Fragen beantworte ich wie folgt:
Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
MEINE FRAGEN:
1. Habt ihr auch viele Büroartikel zwecks Organisation und Planung zuhause?
Aber natürlich! Bei mir kommt noch dazu, dass Planung ein großer Teil meines Berufs ist, ich habe also zusätzlich einen Schreibtisch voller bunter Post-its und anderer Utensilien, einen großen Kalender, Apps, Blöcke, Textmarker... und so weiter.
Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
2. Habt ihr auch ein Suchtverhalten wie z.B. Zigaretten rauchen o.ä.? (Ich rauche sehr viel)
2.1 Wenn Zigaretten: Wieviel raucht ihr pro Tag in etwa?
Ja. Ich esse Schokolade. Nicht wie ein normaler Mensch, sondern definitiv suchtartig, eine bestimmte Sorte, und mindestens eine Tafel pro Tag. In schlechten Zeiten auch mal zwei, und wenn ich bemerke, dass ich die dritte Tafel des Tages öffne, gehe ich in mich und versuche, mich anders zu regulieren. In meiner ersten Lebenshälfte war ich stark untergewichtig, da war es egal, wie viel Schokolade ich esse. Inzwischen kann ich es mir figurtechnisch und auch gesundheitlich nicht mehr leisten, aber ich kann nicht überleben ohne. Beschämend *seufz*.
Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
3.Habt ihr auch auf einmal nach der Diagnosestellung das Gefühl von einer Art "neuer Hoffnung" erlebt?
Ja klar. Vermutlich nicht so stark wie du, denn bei dir ist die Vorgeschichte ja wirklich heftig. Ich "funktioniere" etwas besser, aber es kostet unendlich Kraft.
Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
4. Kennt ihr auch Aufschieberitis (Prokrastination)?
4.1 Wie geht ihr damit um?



Das Leben hat mich gelehrt, manchmal auch etwas auf den vorletzten Drücker, statt auf den allerletzten Drücker zu erledigen. Ich bin aber auch fast zwanzig Jahre älter als du, und ich schrieb "manchmal"!
Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
5. Was gehört beim AD(H)S eher zum Anerlernten und was gehört zum Angeborenen?
Das ist eine sehr philosophische Frage. Bei früher Diagnostik und guter Betreuung (Therapie, artgerechte Haltung) schaffen viele Betroffene rechtzeitig einigermaßen, den Problemen gegenzusteuern. Je älter man bei einer Diagnose und ersten passenden Therapie ist, desto schwerer fällt die Änderung alter Gewohnheiten.
Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
6. Habt ihr auch enorme Schwierigkeiten beim morgendlichen Aufstehen?
7. Habt ihr auch enorme Schwierigkeiten beim abendlichen Zubettgehen?



Morgens aufzustehen ist für mich eine Qual. Ich funktioniere gut, irgendwie habe ich viele Jahre lang morgens um 5.45 Uhr meine Hufe geschwungen und den Wahnsinn hier sortiert. Jetzt kann ich länger im Bett bleiben. Ich schaffe es in der Regel inzwischen, pünktlich um 9.00 Uhr am Schreibtisch zu sitzen - das ist eigentlich echt spät im Vergleich zu früher, aber immer noch zu früh für mich Nachtmensch.
Ins Bett zu gehen hasse ich. Früh ins Bett zu gehen klappt fast nie, und bis ich mich zusammenraffe, den Hund nochmal rauslasse, die Zähne putze undundund, vergeht viel zu viel Zeit. Achte mal bei den Beiträgen im Forum auf die Uhrzeit, dann siehst du, wie viele von uns zu absoluten Unzeiten hier noch herumhängen

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Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
8. Wie hoch ist euer Schlafbedürfnis im Durchschnitt in Stunden?
Mir reichen 6 Stunden, sofern sie durchgehend und ungestört sind. Oft komme ich leider nur auf 4-5 Stunden, Schlafstörung ist mein Zweitname *seufz*. Mein Vater ist auch so, und mein Junior übertrifft mich locker, der hat nur in der Pubertät zeitweise geschlafen, ansonsten fehlt bei ihm der Ausknopf völlig.
Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
9. Wart ihr als Kind (bis zur Pubertät) auch eher unauffällig?
10. Musste euch früher im Kinderzimmer auch i.d.R. immer jemand beim Aufräumen behilflich sein?
11. Wenn ihr aufräumt habt: Wie lange dauert es bei euch bis wieder das vorherige Chaos vorherrscht?
Ich bin ein Mischtyp, als Kind ein Träumerchen. Eigentlich war ich sehr auffällig, aber da meine Mutter viel auffälliger ist, und es auch andere Zeiten waren, hat keiner etwas bemerkt. Ich war halt "komisch". Aufräumen war und ist ein Drama für mich, ich werde wohl lebenslang gegen Unordnung kämpfen.
Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
12. Nutzt ihr auch des Öfteren einen Timer, Wecker o.ä.?
12.1 Für welche Aufgabe/n nutzt ihr dieses?
Mein Leben ist ein Dauerpiep. Ich stelle ständig irgendwelche Timer. Sonst vergesse ich, die Waschmaschine zu leeren, rechtzeitig zu Terminen zu gehen, TV-Sendungen, die Nudeln auf dem Herd, die Mittagspause, eigentlich alles.
Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
13. Habt ihr auch geliebte Hobbies denen ich ihr gerne nachgehen würdet es aber nicht schafft?
13.1 Wenn ja: Wisst ihr warum ihr es nicht schafft?
Ja, es gibt das eine oder andere, und mir ist klar, woran ich scheitere. Ich bin aber nicht mehr so streng mit mir und akzeptiere das.
Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
14. Hattet ihr auch zu Beginn der Diagnose das Gefühl, dass der Alltag nur noch aus Kontrolle, Beobachtung usw. bestehen wird?
14.1 Verkompliziert oder vereinfacht man seinen Alltag dadurch?
Ja und nein. Es ist anstrengend, wenn das ganze Leben durchgetaktet ist. Ich hasse das. Aber ich weiß nun mal, dass ich ohne die Taktung im Chaos komplett versinken würde. Also gönne ich mir Auszeiten, im Urlaub, oder am Wochenende zum Teil, und dann takte ich mich wieder. Zu viel unverplante Zeit bringt mich so sehr aus der Spur, dass es nur mit größter Anstrengung wieder klappt mit meinen Aufgaben.
Es ist also kompliziert, und es vereinfacht gleichzeitig.
Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
15. Erlebt ihr die Jahreszeiten auch sehr unterschiedlich?
15.1 Sommer: für mich anstrengend, weil mir das Wetter vermittelt, dass ich rausgehen soll
15.2 Winter: die kälteren Jahreszeiten sind für mich angenehmer, weil ich nicht rausgehen muss aufgrund des schlechteren Wetters
Ich habe einen Hund und muss daher immer raus. Das tut mir gut! Ich hinke aber ständig den Jahreszeiten hinterher. Bis ich mich an Sommer und T-Shirt gewöhnt habe, ist "plötzlich" schon Herbst. Ich bin daher auch oft nicht ganz zur Jahreszeit passende gekleidet - das merke ich selbst gar nicht, ich schaue nur manchmal blöd, wenn alle andere ganz anders ausgestattet sind

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Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
16. Habt ihr auch eine Art Überforderung, wenn euch bei einer bestimmten Aufgabe klar ist, dass ihr diese JETZT oder zumindest noch HEUTE erledigen MÜSST und wie geht ihr damit um? ("Mache ich später" ist nicht möglich)
Ich schimpfe und fluche und verzweifle, und meistens fange ich dann irgendwann doch an.
Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
17. Habt ihr auch schon mal die Nacht durchgemacht oder seid aus dem Bett aufgestanden, weil euch eine Idee/Gedanke usw. nicht loslässt?
17.1 Müsst ihr dann auch in Bezug auf die Idee/Gedanke z.B. recherchieren, planen, aufschreiben, organisieren?
17.2 Habt ihr es schon mal geschafft diesem Verlangen nicht nachzugeben? Wie habt ihr das geschafft?
Das geht mir dauernd so. Hyperfocus nennt man das. Mein Mann geht schon in Deckung, wenn ich nachts gegeistert bin und morgens damit anfange, dass ich eine Idee habe

. Aber zwischen diversen Schnapsideen waren auch durchaus sinnvolle Überlegungen, daher kann ich damit leben. Blöd ist nur, dass ich schon mein ganzes Leben lang so schrecklich müde bin, weil ich zu viel denke und zu wenig schlafe.
Zitat von Tindra86 im Beitrag #10
18. Recherche zu Selbsthilfemöglichkeiten im Internet, Büchern usw.: Versucht ihr je nach Situation die einzelnen Hilfen DIREKT umzusetzen oder PLANT ihr Tage dafür ein?
Beides. Ich probiere durchaus gerne herum. Es wird aber weniger, so als alte Schachtel hat man irgendwann fast alles durch.
Liebe Grüße
Mandelkern