Strattera
Strattera Quelle: Selbsthilfegruppen
In ADHS-Qualitätszirkeln der Kinderärzte ist Strattera immer wieder mal Thema, und auch in den Selbsthilfegruppen wird immer wieder über Strattera diskutiert. Ich möchte daher auf diesem Wege über die Erkenntnisse aus solchen Diskussionen informieren.
Bereits 2004, als Strattera (Wirkstoff: Atomoxetin) auf den Markt kam, war man sich in Fachkreisen darüber einig, dass dies zwar eine neue Möglichkeit der Behandlung der ADHS erschließt, als Medikament der ersten Wahl jedoch nicht empfehlenswert ist. Medikament der ersten Wahl ist bei ADHS nach wie vor Methylphenidat, unter welchem Handelsnamen auch immer. Der wesentliche Unterschied der beiden Wirkstoffe ist: MPH wirkt auf das dopaminerge, Atomoxetin auf das noradrenerge Nervensystem.
Dennoch hat Strattera seine Berechtigung in der medikamentösen ADHS-Behandlung. Wenn es z.B. unter MPH verstärkt zu Tics kommt, kann sich ein Versuch mit Strattera durchaus lohnen. Auch bei Methylphenidat-Nonrespondern wäre Strattera allemal einen Versuch wert. Mitunter wird in Einzelfällen Strattera verordnet, wenn das Kind nach der Einstellung auf MPH (oder auch schon davor) massive Einschlafprobleme hat. Da Strattera in erster Linie auf das Verhalten Einfluss nimmt und nicht wie MPH sowohl auf das Verhalten als auch auf die Aufmerksamkeit, wird Strattera häufig mit MPH kombiniert.
Sofern es also irgendeinen nachvollziehbaren Grund gibt, weshalb ein Kind Strattera bekommt, ist an dieser Medikation nichts auszusetzen.
Nebenwirkungen, die auf dem Beipackzettel stehen, sind bei Strattera genauso ernst zu nehmen wie bei MPH: Treten sie auf, sollte man erstens den Arzt informieren und zweitens sorgfältig abwägen, was schlimmer ist – die Nebenwirkung oder das Kind ganz ohne Medis. Nach zehn Jahren Erfahrung in der ADHS-Behandlung mit Strattera sind uns allerdings auch Nebenwirkungen bei Langzeitanwendung bekannt geworden, die nicht (oder nicht deutlich genug) auf dem Beipackzettel stehen und die häufig nach vier Jahren Strattera-Medikation einsetzen. Hierzu gehören vor allem aggressive und depressive Phasen. Obacht, diese aggressiven Phasen äußern sich etwas anders als die mitunter bei ADHS ohne Medis auftretenden Aggressionen. Und auch die depressiven Phasen zeigen sich etwas anders, als wir sie von Menschen mit ADHS kennen. Außerdem halten die jeweiligen Phasen länger an als wir es bei ADHS bisher beobachten konnten. Unter diesem Aspekt nimmt auch der Hinweis auf Suizidgefahr eine andere Dimension an und ist durchaus ernst zu nehmen.
Lilly hat Strattera bereits schon längere Zeit vor der Zulassung – nicht nur in Deutschland – sehr massiv und mit hohem finanziellen Einsatz bei den Ärzten und auch in der Selbsthilfeszene beworben. Genau diese Art der Werbung für ein neues Medikament hat dazu geführt, dass Strattera nicht selten als Erstmedikation bei ADHS eingesetzt wurde. Dies fällt insbesondere dort auf, wo Diagnostik und medikamentöse Einstellung an einer Klinik durchgeführt wurde. Viele dieser Kinder bekommen immer noch Strattera, einige seit über vier Jahren.
Eltern, deren Kinder Strattera bekommen, sollten wir also in der Selbsthilfegruppe – selbstverständlich ohne unnötige Ängste zu schüren – nachdrücklich bitten, auf aggressive und depressive Phasen zu achten und Veränderungen umgehend dem behandelnden Arzt mitzuteilen. Und wir sollten hinterfragen, welche Medikamente bisher eingesetzt wurden und aus welchem Grund man auf Strattera umgestiegen ist. Eltern, deren Kinder Strattera als Erstmedikation bekommen, sollten wir dazu ermutigen, den behandelnden Arzt zu fragen, weshalb nicht zuerst Methylphenidat eingesetzt wurde.
Wie ihr ja alle wisst, ist die medikamentöse Einstellung bei ADHS bei Weitem nicht so einfach, wie wir es gerne hätten. Deswegen hat Strattera durchaus einen berechtigten Platz unter den Medikamenten zur ADHS-Therapie. Doch gerade weil das alles nicht ganz so einfach ist und Informationen über Medikamente zur Behandlung der ADHS oft genug zu Verunsicherungen beitragen, werden unsere Selbsthilfegruppen von Eltern besucht, die Antworten auf ihre Fragen suchen. Auf Fragen zu Strattera sollten wir deshalb mit viel Fingerspitzengefühl eingehen und zuerst nach dem Warum fragen, bevor wir detailliert Stellung nehmen.
Susanne Gröpel
© AdS e.V.
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